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Interview mit dem vorwärts: Lebenstraum Bundestag

Sie war die jüngste Staatssekretärin in der Geschichte des Bundeslandes Berlin. Nun rückt Ana-Maria Trăsnea in den Bundestag nach und erfüllt sich damit einen Lebenstraum.

Von einer turbulenten Zeit zu sprechen, dürfte mit Blick auf das Leben von Ana-Maria Trăsnea in den vergangenen beiden Jahren fast eine Untertreibung sein. „Wir hatten Dauer-Ausnahmezustände“, sagt die 29-Jährige selbst im Gespräch mit dem „vorwärts“. Doch von Anfang an: Im Jahr 2021 kandidiert sie bei der Bundestagswahl für die SPD im Berliner Wahlkreis Treptow-Köpenick. Mit Platz sechs auf der Landesliste schrammt sie nur knapp am Einzug in den Bundestag vorbei.

Jüngste Staatssekretärin in der Geschichte Berlins
Stattdessen tut sich eine neue Option auf: Die damalige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey macht sie im Dezember 2021 zur Bevollmächtigten des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Engagement-, Demokratieförderung und Internationales in der Senatskanzlei. Mit zu diesem Zeitpunkt 27 Jahren ist sie die jüngste Staatssekretärin in der Geschichte des Bundeslandes. Keine eineinhalb Jahre später, nach der erneuten Parlamentswahl in Berlin und dem Regierungswechsel von Rot-Grün-Rot zur großen Koalition aus CDU und SPD steht auch für Trăsnea ein erneuter Wechsel an: Sie rückt in den Bundestag nach.

Weil Cansel Kiziltepe in Berlin Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung wird, erfüllt sich für Trăsnea ein „unglaublicher Traum“. Seit dem 16. Mai gehört sie der SPD-Bundestagsfraktion an. „Ich freue mich sehr und habe große Lust darauf“, sagt sie. Dieser Weg ins Parlament hat für sie auch etwas, mit der Stadt zu tun, in der er möglich war. „Für mich ist Berlin die Stadt der Chancen, die Erfüllung des German Dreams. Egal, wer du bist, du kannst werden, was du willst“, sagt die junge Sozialdemokratin, die mit ihrer eigenen Lebensgeschichte stellvertretend dafür steht.

Ehrenamt gegen Einsamkeit
2007 kommt sie nach der Scheidung ihrer Eltern aus Rumänien nach Deutschland. Sie spricht kaum Deutsch, ist in der Schule meist Einzelgängerin. „Während die anderen fleißig ihre Hausaufgaben gemacht oder Tests geschrieben haben, stand ich immer noch mit meinem kleinen Wörterbuch da und habe einzelne Sachen nachgeschaut“, erzählt sie im Jahr 2020 im Gespräch mit dem „vorwärts“. Doch sie gibt nicht auf, engagiert sich. Ehrenamt als Mittel gegen Einsamkeit. „Ich werde nie vergessen, welche Chancen diese Stadt ihr geboten hat“, sagt sie heute.

Trăsnea möchte ein Vorbild für andere Frauen sein und zeigen, was möglich ist. So wie nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine, als sie „mitten im Sturm“ stand und quasi über Nacht mithelfen musste, die ukrainische Community in Berlin zu integrieren. Die Herausforderungen in diesem Job waren eine gute Schule. „Ich habe in dieser Zeit unheimlich viel gelernt“, sagt sie. Ihren Job als Staatssekretärin habe sie sehr gerne gemacht. Deswegen sei es auch nicht leicht gewesen, „über die eigene Abschaffung zu verhandeln“, erzählt sie.

Alle Szenarien mit Landesvorsitzenden besprochen
Und doch war es mitnichten so, dass sie ihren Job verlor. „Ich habe alle Szenarien mit den Landesvorsitzenden besprochen“, berichtet Trăsnea, die sich auf ihre neue Aufgabe im Parlament freut. Von 2016 bis 2021 sammelt sie Erfahrung auf kommunaler Ebene im Bezirk Treptow-Köpenick, zeitweise als stellvertretende Fraktionsvorsitzende, dann die Landesebene und nun der Bundestag.

„Ich freue mich schon, sie alle kennenzulernen“, sagt sie über ihre neuen Fraktionskolleg*innen. Die Berliner Abgeordneten kennt sie bereits aus ihrer früheren Tätigkeit, als sie als Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund auch an den Landesgruppensitzungen teilnahm. Und die 29-Jährige freut sich auch, nicht mehr die Jüngste zu sein, sondern eine von rund 50 Jusos innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion. Noch ist nicht klar, in welchem Ausschuss Trăsnea künftig sitzen wird. Ohnehin will sie „erst mal ganz ruhig ankommen und das Einmaleins des Bundestages kennenlernen“.

Gysi Wahlkreis streitig machen
Da kommt es ihr sicher entgegen, dass es nur noch weniger als zwei Monate sind, bis die parlamentarische Sommerpause beginnt. Die Zeit will Trăsnea nutzen, um in ihrem Wahlkreis Unternehmen und soziale Eintrichtungen zu besuchen, sich bekannt machen und ins Gespräch kommen. Denn ihr Fernziel ist klar: Bei der Bundestagswahl 2025 will sie Gregor Gysi den Wahlkreis streitig machen und nach dann 23 Jahren wieder für die SPD das Direktmandat gewinnen.


Quelle: https://vorwaerts.de/artikel/lebenstraum-bundestag-ana-maria-trasnea-rueckt-ins-parlament?fbclid=IwAR1lHEYnIrn5eB7CPb9Xi5UXg59LQrJ2oHAB9xeRIyQbegMpvZmYWHWP5Y4

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Interview im Seniorenmagazin Treptow-Köpenick

https://elroverlag.de/elro-seniorenmagazine/#treptow-koepenick

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Es gibt genug, wofür wir kämpfen müssen – Gastbeitrag im Migazin

Ich habe mir früher oft die Frage gestellt, warum es so wenig Menschen mit Migrationsbiografie in die Parlamente schaffen. Heute weiß ich, es geht – trotz zahlreicher Hindernisse.

Ich habe mir früher oft die Frage gestellt, warum es so wenig Menschen mit Migrationsbiografie in die Parlamente schaffen. Heute weiß ich, Menschen mit Migrationsbiografie sind nicht unpolitischer, sind nicht weniger an Politik interessiert, wollen sich nicht weniger in politischen Debatten einbringen: Es sind viel mehr Strukturen, die viele hindern. Das betrifft nicht nur den Zugang zur Politik, sondern auch den Aufstieg. In Metropolregionen wie Berlin oder dem Ruhrgebiet gibt es über die Parteigrenzen hinweg viele Kandidat:innen mit Migrationsbiografie für ein konkretes Mandat. Bei den Parteilisten, die den Einzug der meisten Abgeordneten im Deutschen Bundestag gewährleisten, spiegelt sich die diverse Gesellschaft nicht wider.

Es war auch für mich nicht selbstverständlich, dass ich Bundestagskandidatin für die SPD in Berlin Treptow-Köpenick geworden bin. Und um ehrlich zu sein, klingt es für mich manchmal noch surreal, wenn ich sage: Ich heiße Ana-Maria Trăsnea und ich bin Direktkandidatin für den Bundestag. Dabei hat sich meine Partei nicht nur für mich als Kandidatin entschieden, auch ich habe mich eines Tages für die Politik entscheiden müssen.

Viele Menschen mit Migrationsbiografie erfahren, wie auch ich, eine gewisse Skepsis in der eigenen Familie, wenn sich jemand politisch engagieren möchte. Meine Familie wurde von Politiker:innen in Rumänien schwer enttäuscht, Korruptionsskandale wurden zur Normalität, Schmiergelder für die einfachsten Dienstleistungen des Staates waren weit und breit eingeübte Praxis. Das habe ich schon in jungen Jahren an der eigenen Haut gespürt, dass Kinder mit einflussreichen Eltern in den Augen meiner damaligen Grundschullehrerin mehr wert waren als ich. In meiner Heimatstadt im Nordosten Rumäniens habe ich zudem erlebt, dass der Zugang zum Gesundheitswesen von Geld und Status abhängt. Diejenigen, die sich eine gute medizinische Behandlung leisten können, zahlen eben den entsprechenden Preis und werden vorgezogen – alle anderen müssen warten. Solche Beispiele könnten etliche Seiten füllen. Sie alle fallen unter ein Schlagwort: soziale Ungerechtigkeit verschärft durch Alltagskorruption.

Dieses vorgefertigte Bild galt es auch für mich selbst aufzubrechen, bevor ich überhaupt loslegen konnte. So wie mir meine Genoss:innen Vertrauen entgegenbrachten, so musste auch ich der Politik damals einen Vertrauensvorschuss gewähren. Ich tat dies. Der wahrscheinlich bedeutendste Schritt meines Lebens. 2013 trat ich der SPD bei, 2016 hatte ich mein erstes Mandat auf kommunaler Ebene.

Der Weg in das Kommunalparlament gestaltete sich schwierig. Früh musste ich lernen, dass Fleiß und Wille in der Politik nicht ausreichend sind. Selbst nach fünf Jahren in der Bezirksverordnetenversammmlung begegnen mir noch negative Vorurteile, insbesondere von Menschen aus anderen Fraktionen, mit denen ich nicht tagtäglich zusammenarbeite. Es sind nicht nur vergleichsweise milde Stereotype, dass ich mich als Migrantin bestimmt nur für Integration interessiere oder respektlose Kommentare mit Blick auf den „komischen“ Namen.

Es sind vor allem Momente, in denen rassistische Bemerkungen gegenüber „anderen“ Gruppen wie Geflüchteten, Osteuropäer:innen, arabischstämmige oder Roma im Raum unwidersprochen bleiben. In den Momenten, in denen ich den Mund aufmachte, hieß es dann im Nachhinein, „nimm dir das nicht zu Herzen. Die Person XY ist nur schwer einzufangen. Wir haben schon versucht zu diskutieren.“ Solche Momente lassen einen deutlich spüren, dass Menschen wie ich doch „anders“ sind und leider von manchen Teilen der Gesellschaft nur toleriert werden. Denn wir sollen nicht zur Mehrheitsgesellschaft gehören.

Ich bin mir sicher, dass ich mit solchen Erfahrungen nicht allein bin. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Rassismus, Diskriminierung, Antisemitismus und Sexismus immer noch strukturell in der Politik verankert sind. Zuletzt zeigte das eine Umfrage unter weiblichen Bundestagsabgeordneten. Bei mir sind es Erfahrungen, die ich als Politikerin mache, bei anderen sind es Gründe und Hindernisse, gar nicht erst Politik zu machen.

Denn in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens spiegelt sich die Vielfalt unseres Landes nicht wider. Nicht in den Medien, nicht in der Verwaltung, nicht in dem Spitzenpersonal der Parteien. Es fehlen Vorbilder. Die Interessen und Bedürfnisse vieler Menschen findet kaum Platz auf der politischen Agenda.

Dabei sind Menschen mit Migrationsbiografie Teil dieser Gesellschaft, sie sind Teil von Deutschland. Weshalb sollte unsere Stimme in all ihrer Vielfältigkeit nicht gehört werden? Es wird Zeit, in den Vordergrund zu treten und dafür zu streiten, dass dies nicht vereinzelte Ausnahmen bleiben.

Ich habe mir früher oft die Frage gestellt, warum es so wenig Menschen mit Migrationsbiografie in die Parlamente schaffen. Heute weiß ich, es geht – trotz zahlreicher Hindernisse.

Ich hätte mich als kleine Ana-Maria sehr gefreut, wenn es in Treptow-Köpenick eine Bezirksverordnete mit Migrationsbiografie gegeben hätte. Für den Bundestag zu kandidieren, wäre der kleinen Ana-Maria damals nicht in den Sinn gekommen. Nun macht sie genau das. Denn es gibt genug, wofür wir kämpfen müssen.


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[:de]“Ana-Maria Trăsnea: vom Aufstieg einer jungen Migrantin“[:]

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[:de]“Frauen werden ständig hinterfragt“[:]

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[:de]Eine Berlinerin beim EU-Gipfel in Bukarest[:]

Die Berliner Morgenpost berichtete am 17.03.2019 über Ana-Marias Besuch beim EU-Gipfel in Bukarest. Den Gesamten Artikel gibt es hinter der Paywall der Berliner Morgenpost.